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Zeitgesteuerte Heufütterung stressfrei gestalten

Das Verdauungssystem von Pferden ist auf kontinuierliche Nahrungsaufnahme ausgelegt. In freier Wildbahn verbringen Pferde die meiste Zeit des Tages mit der Futtersuche und nehmen dabei über viele Stunden hinweg kleine Mengen an Futter zu sich. Längere Futterpausen führen zu einem leeren Magen, was langfristig Stress und Magenerkankungen verursachen kann. 

Es wird daher oft angenommen, dass die freie Verfügbarkeit von Heu (Heu ad libitum) die artgerechteste Fütterungsmethode ist. Doch die Realität zeigt, dass die meisten Pferde dabei nicht ihr gesundes Gewicht halten können. Ein Großteil der Pferde nimmt bei dieser Fütterungsweise übermäßig zu, was das Risiko für zahlreiche Folgeerkrankungen erhöht. Übergewicht bei Pferden kann wiederum zu Folgeerkrankungen wie EMS, Hufrehe, Gelenkproblemen und Organschäden führen. Eine übermäßige Fütterung mit Heu ist daher keinesfalls als artgerecht anzusehen.

Pferde benötigen rund um die Uhr Zugang zu Raufutter. Dass es sich dabei ausschließlich um Heu handeln muss, ist ein weit verbreitetes Missverständnis. Abgesehen von Heu gibt es verschiedene Raufutterarten, wie Stroh und Holz, die in einer passenden Mischration zur Gesunderhaltung beitragen können.

Um Übergewicht vorzubeugen, gibt es heutzutage viele kreative Lösungen. Zu den weit verbreitetsten Methoden gehören Slowfeeder und zeitgesteuerte Heufütterung. Slowfeeder verlangsamen die Futteraufnahme, indem sie den Pferden das Heu zum Beispiel durch engmaschige Netze zur Verfügung stellen. Eine zeitgesteuerte Heufütterung hingegen sorgt dafür, dass Pferde in regelmäßigen Abständen Heu erhalten, z.B. in Form einer zeitgesteuerten Heuraufe.

Stress durch zeitgesteuerte Heuraufe?

Egal, welche Methode zur Reduktion der Heumenge gewählt wird, es darf niemals dazu führen, dass das Pferd hungern muss oder gestresst wird. Das Futter sollte so angeboten werden, dass die Pferde genügend Zeit für andere Aktivitäten wie Schlafen und soziale Interaktionen haben. Extrem engmaschige Heunetze, die Pferde dazu zwingen, fast den ganzen Tag damit zu verbringen, ihr Futter zu erarbeiten, sind nicht sinnvoll. Das Ziel sollte eine Balance sein, bei der die Pferde ausreichend und stressfrei fressen können, ohne dabei Übergewicht zu entwickeln.

In der Praxis bedeutet dies, eine Fütterungsstrategie zu entwickeln, die sowohl den natürlichen Bedürfnissen der Pferde als auch ihren individuellen gesundheitlichen Anforderungen gerecht wird. Die zeitgesteuerte Heuraufe kann hierbei ein wertvolles Werkzeug sein. Entscheidet man sich dafür, steht man zunächst vor der Herausforderung, die Fütterungsintervalle optimal einzustellen.

Erst unlängst geriet die zeitgesteuerte Fütterung durch eine Studie in Kritik, die verschiedene Fütterungssysteme verglich. Dabei wurde festgestellt, dass Pferde, die zeitgesteuert gefüttert wurden, im Vergleich zu Pferden, die Heu ad libitum oder über Slowfeeder erhielten, den höchsten Stresspegel aufwiesen. In der betreffenden Studie hatte die Gruppe mit zeitgesteuerter Fütterung 6 Fresszyklen von jeweils 45 Minuten pro Tag. Leider wurden dabei einige entscheidende Faktoren außer Acht gelassen, die zur Stressminimierung hätten beitragen können.

Exkurs: diese Studie haben wir uns auch schon um Rahmen unseres Blog-Beitrags zum Thema „Fütterung mit Heunetzen“ angesehen.

Der richtige Rhythmus macht den Unterschied

Pferde haben, wie Menschen, einen eigenen Tagesrhythmus, der stark von individuellen und äußeren Einflüssen wie Licht und Temperatur abhängt. Jede Herde entwickelt eine eigene Dynamik. Eine Missachtung dieses natürlichen Biorhythmus führt zu erheblichem Stress.

Pferde fressen in natürlichen Zyklen, die im Durchschnitt etwa 1,5 Stunden dauern. Nach einem Fresszyklus machen Pferde eine Pause, in der sie etwas anderes machen, wie zum Beispiel trinken, schlafen oder misten. Vor der Programmierung einer automatischen Fütterungsanlage ist es wichtig, zunächst den natürlichen Lebensrhythmus der Pferde zu beobachten und so gut wie möglich zu berücksichtigen. Empfehlenswert sind zum Beispiel 3 längere Fresszeiten von jeweils mehreren Stunden am Stück. Ein Heuintervall sollte dabei mindestens 1,5 bis 2 Stunden betragen. In der Nacht findet eine längere Heupause statt, damit die Pferde ausreichend lange am Stück schlafen können. Können Pferde nie lange genug am Stück fressen und ist die gesamte Fresszeit pro Tag zu kurz, führt dies unweigerlich zu erheblichem Stress. Um die entstehenden Heupausen stressfrei zu überbrücken, kann Stroh oder Knabberäste angeboten werden, damit immer eine Raufutteraufnahme möglich ist.

Checklisten: Woran erkennt man, …

…dass die zeitgesteuerte Heufütterung pferdegerecht umgesetzt wurde?

✅ Wenn die Heuraufe geschlossen ist, gehen die Pferde anderen Tätigkeiten nach, und warten nicht ungeduldig vor der Heuraufe auf die nächste Öffnung

✅ Die Pferde bleiben ruhig, wenn die zeitgesteuerte Heuraufe öffnet, und gehen in einem entspannten Tempo zum Fressen

✅ Kein merkbarer Anstieg von Stress oder Aggressionen in der Herde seit Einführung der Zeitsteuerung

✅ Wenn ein ranghöheres Pferd ein anderes vom Fressplatz weg schickt, sucht sich das vertriebene Pferd in Ruhe einen anderen Platz

✅ Die Pferde zeigen eine positive Tendenz in Richtung ihres Idealgewichtes

✅ Auch während der Fresszeit gehen Pferde trinken oder legen kurze Pausen ein

✅ Keine Entstehung von Symptomen, die auf Magenprobleme hinweisen könnten

…dass die zeitgesteuerte Heufütterung Stress verursacht?

❌ Die Pferde eilen hektisch zur Heuraufe, wenn diese öffnet

❌ Die Pferde wirken hungrig, suchen stets nach Futter und knabbern an ungeeigneten Materialien

❌ Es kommt häufiger zu Rangkämpfen und aggressivem Verhalten unter den Pferden

❌ Pferde zeigen Symptome wie häufiges Gähnen, Leerkauen, Kolikanzeichen oder andere Auffälligkeiten, die auf Magenprobleme hinweisen

❌ Keine Gewichtsabnahme trotz Reduktion der aufgenommenen Heumenge, oder zu starker Gewichtsverlust innerhalb kurzer Zeit

❌ Vermehrte Anzeichen von Schlafmangel wie vermehrtes Dösen im Stehen oder allgemeine Müdigkeit bis hin zur Pseudonarkolepsie


Studien bzw. Quellen

  1. Seabra, J. C., Hess, T., do Vale, M. M., Spercoski, K. M., Brooks, R., & Dittrich, J. R. (2023). 49 Effects of different hay feeders, availability of roughage on abnormal behaviors and time budget of horses kept in dry lots. Journal of Equine Veterinary Science, 124, 104351.
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