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Pferd hat Magengeschwüre? Versteckte Faktoren als Ursache

Magengeschwüre sind leider eine sehr häufige Erkrankung: Bis zu 90% der Sportpferde, aber auch 30-60% der Freizeitpferde sind davon betroffen – beginnend im Fohlenalter. Magenerkrankungen sind also keine Seltenheit und können lebensbedrohlich werden, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und behandelt werden.

Symptome

Die Symptome können sehr verschieden sein, und sind oft unspezifisch. Magengeschwüre äußern sich unter anderem durch:

  • Wiederkehrende Koliken, meist während oder nach der Futteraufnahme
  • Flehmen, Zähneknirschen, Leerkauen, Gähnen
  • Verminderter Appetit bis zur Abmagerung
  • Verminderte Leistungsbereitschaft, Lethargie, Taktfehler
  • Muskelabbau, Trageerschöpfung
  • Verhaltensauffälligkeiten
  • Hufprobleme

Ursachen für Magengeschwüre beim Pferd

An der Entstehung von Magengeschwüren sind meistens verschiedene Faktoren beteiligt. Auch gravierende Fütterungsfehler können zwar Magengeschwüre auslösen, die Hauptursache ist jedoch Stress. Stress kann viele Gesichter haben. Nicht immer ist es für Pferdebesitzer*innen offensichtlich, wo genau eine Stressquelle vorliegt. 

Hier sind ein paar Beispiele für Stressquellen, die man vielleicht nicht sofort am Schirm hat, die sich aber beim Pferd auf die Magengesundheit auswirken können:

Stress durch Trainingsbelastung

Am offensichtlichsten ist hier die Überbelastung, bei der ein Pferd bis zur Erschöpfung und darüber hinaus gearbeitet wird. Es ist physisch und psychisch erschöpft und benötigt Ruhe und Erholung. Anstatt nach dem Training zu fressen, ruht oder schläft das Pferd, um sich zu regenerieren. Gerade nach einem Turniertag oder auch nach sehr intensivem Training hat das Pferd deshalb nicht die Möglichkeit, auf die benötigte Raufuttermenge zu kommen. Es ist hungrig und unterversorgt, obwohl eigentlich Futter verfügbar ist. Diese Art der Erschöpfung und Mangelernährung ist ein völlig hausgemachtes Problem.

Aber nicht nur das “zu viel” an Training, sondern auch die Art des Trainings können problematisch sein. Diese Art von Stress ist oft viel subtiler und schwerer zu erkennen: Das Pferd ist überfordert und versteht nicht, was von ihm verlangt wird. Unklare Hilfen oder zu hohe Anforderungen führen zu Verunsicherung. Besonders problematisch wird es, wenn das Pferd Angst vor Strafe hat, wenn es Fehler macht. Hinzu kommen Faktoren wie schlecht sitzende Ausrüstung. Ein drückender Sattel, ein unpassendes Gebiss sowie unausbalanciertes Reiten können zu Verspannungen, Schmerzen und letztendlich Stress führen.

Stress durch zu wenig Fressplätze

“Mein Pferd bekommt Heu ad libitum” ist in der Praxis oft zu hören. Doch die Realität zeigt: Allein die ständige Verfügbarkeit von Heu bedeutet nicht zwangsläufig, dass jedes Pferd auch stressfrei und ausreichend fressen kann. In der Natur existiert kein Futterneid im klassischen Sinne. Entweder es gibt genug für alle, oder die gesamte Herde leidet gemeinsam unter Nahrungsmangel. In der heutigen Pferdehaltung entstehen jedoch oft soziale Konflikte durch eingeschränkte Platzverhältnisse und ungleiche Zugänge zu Futter, die sich negativ auf die Magengesundheit auswirken können.

Typische Stressquellen im Bezug auf Fressplätze sind:

  • Eine einzige Raufe für eine große Gruppe von Pferden, wodurch rangniedrige Pferde nur schwer Zugang zum Futter haben
  • Diätpferde, die viele Stunden am Tag eine Fressbremse tragen müssen
  • Pferde, die ständig vom Fressplatz vertrieben werden und dadurch nicht länger am Stück in Ruhe fressen können
  • Rationierte Fütterung, bei der einige “Schnellfresser” in kurzer Zeit den Großteil der Ration aufnehmen, während langsamere Pferde zu kurz kommen
  • Eine Stallgestaltung, die es ranghohen Pferden ermöglicht, den Zugang zu Fressplätzen zu blockieren

Solche Bedingungen verursachen erheblichen Stress. Oft zeigt sich dieser zunächst subtil, etwa durch Unruhe beim Fressen oder ein häufiges Umschauen. Hier ist die gezielte Beobachtung der Pferde über einen längeren Zeitraum wichtig, um sicherzustellen, dass alle Pferde tatsächlich ausreichend fressen, auch wenn “immer” Futter da ist. Pferde sollten länger ungestört an einem Fressplatz verweilen können, ohne ständig weggeschickt zu werden. Und wenn ein Pferd vom Fressplatz vertrieben wird, sollte dies ruhig geschehen, und nicht hektisch oder gar aggressiv.

Stress durch Unruhe und Veränderungen

Stell dir vor, es ist Weihnachten. Du feierst wie immer mit deiner Familie – doch diesmal sitzt eine fremde Person mit am Tisch. Niemand kennt sie, aber du erfährst, dass sie nun zur Familie gehört. Sie ist dir unsympathisch, ihr Verhalten irritiert dich, und du fühlst dich in deinem gewohnten Umfeld plötzlich unwohl. Du möchtest einfach nur deine Ruhe und wünschst dir, dass alles so bleibt, wie es war. Noch drastischer: Stell dir vor, es klingelt an der Tür, und jemand teilt dir mit, dass du sofort mitkommen sollst. Auf der Fahrt erfährst du, dass du in eine völlig fremde Stadt ziehst, ohne je zurückkehren oder deine Familie und Freunde wiedersehen zu können. Alles Vertraute ist plötzlich weg – eine Situation, die großen Stress verursacht.

Natürlich sind Pferde keine Menschen, aber ihre emotionale Bindung an ihre Herde ist mindestens genauso tief verwurzelt wie bei uns. Sie brauchen soziale Stabilität, weil ihre Herdenstruktur überlebenswichtig ist. Jedes einzelne Pferd kennt seinen Platz in der Gruppe, hat enge Freundschaften oder auch Pferde, mit denen es lieber Abstand hält. Jede Veränderung dieser Struktur kann erheblichen Stress verursachen.

Wenn Pferde in eine neue Herde integriert werden oder den Stall wechseln, bedeutet das für sie eine massive Umstellung. In der Regel dauert es mehrere Monate, bis sie sich wieder sicher fühlen und neue Bindungen aufbauen können. Wenn solche Wechsel jedoch zu häufig erfolgen, kann sich ein chronischer Stresszustand entwickeln. Ein Pferd, das nie langfristige soziale Stabilität erlebt, leidet auf Dauer unter erheblichem psychischem Stress, der sich nicht zwingend immer sofort zeigt. Magengeschwüre sind in solchen Situationen eine sehr häufige Folgeerkrankung.

Stress durch engen Raum

Die Offenstallhaltung gilt als die artgerechteste Form der Pferdehaltung. Sie ermöglicht den Pferden Selbstbestimmung, soziale Bindungen und ausreichend Bewegung im Herdenverband. Doch auch in dieser Haltungsform gibt es eine oft übersehene Stressquelle: bauliche Enge. Pferde sind Fluchttiere, deren natürliche Umgebung weitläufige, offene Flächen bietet. In der Natur gibt es kaum enge Passagen oder Sackgassen, in denen sie sich bedrängt fühlen. Daher sollte auch ein gut geplanter Offenstall so gestaltet sein, dass dahingehend problematische Bereiche vermieden werden:

  • Pferde dürfen nicht aufgrund von Sackgassen oder spitzen Winkeln in Bereiche geraten, aus denen sie nicht einfach entkommen können
  • Alle Pferde sollen gleichzeitig (!!!) im eingestreuten Liegebereich liegen können. Das ist sogar in den offiziellen Richtlinien zur Pferdehaltung vorgeschrieben!
  • Paddock Trails sollten breit genug sein, damit rangniedrige Pferde stressfrei ausweichen können, und niemand über den Trail getrieben werden kann
  • Kein Pferd sollte Eingänge blockieren und somit andere am Betreten oder Verlassen hindern können
  • Jedes Pferd sollte entspannt fressen können, ohne ständig den Platz wechseln zu müssen
  • Es darf nicht möglich sein, dass ranghohe Pferde den Zugang zur Tränke versperren
  • Pferde brauchen Platz, um ihre Individualdistanz wahren zu können, insbesondere zu Pferden, deren Nähe sie nicht mögen.

Ein Offenstall oder Paddock ist nicht automatisch eine stressfreie Umgebung für Pferde, und muss bewusst so gestaltet werden, dass es nicht zu stressbedingten Erkrankungen wie Magengeschwüren aufgrund der Haltung kommt.

Stress durch Mangelbewegung

Ein Border Collie, der als Familienhund gehalten wird, während die Eltern voll berufstätig und die Kinder mit der Schule beschäftigt sind, zeigt schnell Verhaltensauffälligkeiten: Er ist vor Energie kaum zu bändigen, zerstört Gegenstände oder entwickelt stereotype Verhaltensweisen. Ein Windhund, der nur als optisches Highlight in einer Wohnung gehalten wird, kann ebenfalls frustriert sein, wenn er nicht regelmäßig die Möglichkeit hat, seine genetisch verankerte Laufleidenschaft auszuleben. In solchen Fällen ist vielen Tierfreunden klar, dass diese Haltungsform nicht den Bedürfnissen der Tiere entspricht. Doch genau dieses Problem begegnet uns auch in der Pferdehaltung – nur subtiler und weniger offensichtlich.

Noriker werden zum Beispiel gerne angeschafft, um ab und zu mal am Wochenende gemütlich ausreiten zu gehen. Noriker wurden jedoch über Jahrhunderte hinweg gezielt als Arbeitspferde gezüchtet, um Lasten über die Alpen zu tragen, schwere Baumstämme zu rücken oder Wagen zu ziehen. Sie sind auf hohe Leistungsbereitschaft und Ausdauer selektiert worden und besitzen dementsprechend ein ausgeprägtes Bewegungsbedürfnis.

Gleiches gilt für viele Arbeitsrassen wie Fjordpferde, Shetlandponys oder Iberer. Diese Pferde sind Powerpakete, die sich gerne bewegen und gerne geistig gefordert werden. Wenn diese Pferde ihr natürliches Arbeitsbedürfnis nicht ausleben können, führt dies zu Stress. Dieser Stress ist oft subtil und bleibt lange unbemerkt, bis er sich in gesundheitlichen Problemen wie Magengeschwüren manifestiert. Es ist daher wichtig, sich mit der Zuchtgeschichte des eigenen Pferdes auseinanderzusetzen, und es gezielt seiner genetischen Veranlagung entsprechend zu fördern.

Diagnostik und Therapie

Besteht aufgrund der klinischen Symptome der Verdacht auf Magengeschwüre, sollte eine Gastroskopie durchgeführt werden. Das ist wichtig, um den Grad der Erkrankung zu ermitteln. Außerdem kann sich die medikamentöse Therapie unterscheiden, abhängig davon, welcher Teil des Magens von Läsionen betroffen ist. Dafür muss das Pferd zwingend eine Nahrungskarenz von mindestens 12 Stunden einhalten, da der Magen vollständig leer sein muss, um endoskopiert werden zu können. Daher werden Gastroskopien oftmals in einer Pferdeklinik durchgeführt, da dort die Wasseraufnahme überwacht, sowie das Fressen von Einstreu verhindert werden kann. Anschließend wird das Pferd sediert, während das Endoskop durch den Naseneingang über die Speiseröhre in den Magen eingeführt wird, um diesen zu untersuchen.

Werden Veränderungen festgestellt, wird abhängig von Schweregrad und Lokalisation der Läsionen eine mehrwöchige medikamentöse Therapie eingeleitet. Anschließend kann bei Bedarf eine Kontrollgastroskopie durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Magengeschwüre vollständig abgeheilt sind.

Für den Heilungserfolg ist es absolut essentiell, dass die Ursache der Magengeschwüre identifiziert und beseitigt wird. Wenn man nur die Symptome behandelt, aber den ursächlichen Stress nicht gänzlich abstellt, so wird es immer wieder zu Rückfällen können. Eine individuell für das Pferd optimierte Haltung, sowie eine Anpassung des Trainings sind für eine nachhaltige Therapie unerlässlich.

Fütterung

In der Akutphase während der medikamentösen Therapie ist in erster Linie für eine dauerhafte Verfügbarkeit von qualitativ einwandfreiem Raufutter zu sorgen. Ebenso sollte auf Stärke (Getreide) sowie Aroma- und Konservierungsstoffe und ätherische Öle verzichtet werden, da diese reizend auf die Magenschleimhaut wirken können.

Besonders wohltuend wirkt eine “Weich- und Warmfütterung”: Dabei wird ein Mash aus Leinsamen und Weizenkleie, oder andere schleimbildene Futtermittel wie Pektine, zusammen mit Heucobs mit heißem Wasser angesetzt. Die Wärme sowie der Schleim wirken beruhigend auf die Magenschleimhaut.

Insgesamt kann die Therapie bis zur vollständigen Rehabilitation durchaus bis zu 6 Monate dauern – vorausgesetzt, die Ursache wird abgestellt. Stress reduzieren ist hier das A und O!

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