Zum Inhalt springen

Sohlendicke auf Röntgenbildern korrekt bestimmen

Im Hufbereich werden oft Röntgenbilder angefertigt und daraus Schlussfolgerungen für die Hufbearbeitung gezogen. Oft gibt es dann Diskussionen darüber, was auf der Aufnahme zu sehen ist und was vielleicht nicht. Wir sprechen daher oft und gerne mit Pferdebesitzer*innen aber auch mit Tierärztinnen und Tierärzten über dieses Thema im Allgemeinen und bestimmte Aufnahmen im Speziellen. Ein häufiges Thema ist dabei das Thema Sohlendicke. Und genau zu diesem Thema hat eine wunderbare Kollegin aus Polen einen sehr interessanten und anschaulichen Beitrag geschrieben, den wir mit ihrer Erlaubnis auf Deutsch übersetzt haben und hier veröffentlichen dürfen. Nachstehend findest du diese Übersetzung:

Einleitung

Für das Verständnis von Hufen werden Medizin und Architektur gleichermaßen benötigt. Die Interpretation von Röntgenbildern erfordert nicht nur medizinische Kenntnisse, sondern auch räumliches Vorstellungsvermögen, Kenntnisse der Prinzipien der Perspektive, der darstellenden Geometrie und der Optik. Dies ist besonders wichtig, wenn Röntgenaufnahmen von Hufen für geometrische Messungen angefertigt und ausgewertet werden.

In meiner Praxis stoße ich häufig auf Missverständnisse, die aus einer fehlerhaften geometrischen Interpretation eines Röntgenbildes resultieren. Ich berate auch oft zu solchen Fällen. Oft bereiten solche Situationen Besitzern, Tierärzten und Hufschmieden unnötige Sorgen – sie können auch zu falschen Diagnosen und unpassenden Entscheidungen hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise hinsichtlich eines Hufes führen.

[…]

Messung der Sohlendicke auf einem Röntgenbild

Die Sohlendicke ist einer der grundlegenden Parameter, die in Röntgenbildern beurteilt werden. Zugleich ist die Sohlendicke eine der häufigsten Gründe für die Anfertigung von Hufröntgen.

Obwohl es den Anschein hat, dass die Messung der Sohlendicke „keine Hexerei“ sei, kommt es dabei immer noch zu Missverständnissen. Manchmal lösen diese Missverständnisse unnötig Panik aus, manchmal führen sie zu unnötigen (und manchmal sogar schädlichen) Maßnahmen.

Um die Dicke der Sohle richtig messen zu können, muss man verstehen, was genau wir auf dem Röntgenbild sehen, welche Form die einzelnen Strukturen haben und wie die Beziehung zwischen ihnen im Raum ist.

Bei der Diagnose „dünne Sohle“ stoße ich häufig auf eine Messung an der „dünnsten Stelle“ (siehe Grafik), also an der Stelle, an der der Abstand zwischen dem tiefsten Punkt des Hufbeinrandes und dem konkavsten Punkt der Sohle [also an dem Punkt, wo die Wölbung der Sohle am größten und damit am weitesten vom Boden weg ist] am kleinsten ist. Aber, wenn wir die räumliche Beziehung zwischen diesen beiden Punkten analysieren, stellt sich in vielen Fällen heraus, dass wir den Abstand zwischen Punkten messen, die in völlig unterschiedlichen Ebenen liegen, und eine solche Messung hat KEINEN Wert.

Um zu verstehen, warum eine solche Messung keinen Wert hat und wo wir stattdessen messen müssen, um die gewünschten Informationen zu erhalten, müssen wir uns die Form des Hufbeins in der lateromedialen [seitlichen, 90° zur Längsachse des Pferdes] Aufnahme genau ansehen. Die Form des Hufbeins ist – abhängig von vielen Faktoren mehr oder weniger – konkav und regelmäßig. Die palmare Oberfläche [also die Unterseite] des Hufbeins ist konkav [also gewölbt]. Schauen wir uns also den Querschnitt einer Hufkapsel an. Der tiefste Punkt der Hufbeinkante und der konkavste Punkt der Sohle liegen in völlig unterschiedlichen Ebenen! Daher ist es sinnvoll, die Sohlendicke in der seitlichen Aufnahme unter der Hufbeinspitze zu messen (obwohl es Fälle gibt, in denen sie auch an anderen Stellen gemessen werden sollte).

Die Sohlenform mit der stärksten Röntgenschattierung in der lateromedialen [seitlichen] Aufnahme entspricht am ehesten der Sohlenquerschnittsform etwa an der Stelle des Sagittalschnitts durch den Huf [also durchgeschnitten von vorne nach hinten, durch die Mitte des Hufes auf der Höhe der mittleren Strahlfurche] (siehe Grafik). Sie entspricht in der Regel auch mehr oder weniger der Form der palmaren Oberfläche [Unterseite] des Hufbeins im sagittalen Querschnitt.

Die Form und Konkavität des Hufbeins variiert von Huf zu Huf. Die Sohle unter dem Hufbein im Bereich der Seitenwände bzw. Hufbeinäste schattiert in der lateromedialen Röntgenaufnahme weniger deutlich. Auf solchen Aufnahme ist es oft unmöglich, ihren genauen Verlauf und Dicke an anderen Stellen als im Sagittalschnitt zu definieren. Der Eindruck einer besonders dünnen Sohle entsteht bei einem stark konkaven Hufbein mit einer konvexen Unterkante und der entsprechenden Form der Sohle. In einigen Fällen kann es sogar vorkommen, dass diese „dünnste Stelle“ den Eindruck erweckt, sie hätte keine oder sogar eine “negative” Dicke! Wenn wir in solchen Fällen versuchen würden, an einer anderen Stelle als unter der Hufbeinspitze zu messen, sollte die Messung nicht an der am tiefsten gelegenen Stelle des Hufbeins erfolgen, sondern am Boden seiner “Schüssel“.

In den meisten Fällen ist es am sichersten, die Sohlendicke direkt unter der Kante des Hufbeins im Bereich der Hufbeinspitze zu messen und ihre Form mit der Form der palmaren Oberfläche [Unterseite] des Hufbeins in Beziehung zu setzen. Es lohnt sich jedoch, auch die Form des Hufbeins auf Röntgenaufnahmen sorgfältig zu untersuchen. Dadurch können wir nicht nur den Ort der zuverlässigsten Messung der Sohlendicke genau bestimmen, sondern auch viele Informationen über den Zustand des Hufs und die Biomechanik der gesamten Gliedmaße erhalten.

Es ist zu beachten, dass eine Messung, die (wie üblich) vertikal erfolgt – und nicht senkrecht zur Unterseite des Hufbeins – relativ ist und von der Winkelung des Hufes abhängt. Daher kann eine bloße Änderung der Hufwinkelung ohne jegliche Bearbeitung der Sohle dazu führen, dass die auf einem Röntgenbild gemessene Sohle dünner oder dicker erscheint!

Bei der Messung und Beurteilung der Sohlendicke sollte immer auch deren Wölbung und natürlich das äußere Erscheinungsbild des Hufes berücksichtigen! Es lohnt sich auch, auf das Verhältnis der Dicke der Sohlenlederhaut und des Sohlenhorns zu achten. Die Messung vom Hufbeinrand abwärts umfasst sowohl die Dicke der Sohlenhorns als auch der Lederhaut.

Weitere anschauliche Fotos zu dieser Thematik finden sich in Ulas Originalbeitrag auf Facebook.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert